Differenzierung: Wie hebe ich mich von der Konkurrenz ab?

#Strategy#Leadership

1. Sep. 2021 – Tobias Steinemann

Bei der Differenzierung geht es nicht darum, um jeden Preis «anders» zu sein. Es geht darum, strategische Entscheidungen zu treffen, die es deinen Klient:innen ermöglichen, dich von der Konkurrenz abzugrenzen und sich für dein Angebot zu entscheiden.

Was ist ein Differenzierungsmerkmal?

Differenzierungsmerkmale dienen potentiellen Klient:innen also zur Unterscheidung deines Angebots von anderen Anbieter:innen. Es sind die Hauptgründe, die einen Kaufentscheid beeinflussen – die strategischen Wettbewerbsvorteile deines Unternehmens. Warum kommen Klient:innen zu deiner Anwaltskanzlei statt zu einer anderen Firma? Ein Zufall? Wohl kaum.

Differenzierung fliesst aus den Bedürfnissen der Zielgruppen. Es ist das im Angebot enthaltene Gegenstück, das diese Bedürfnisse befriedigt. Es ist das Resultat der strategischen Entscheidungen, die ein Unternehmen trifft, um Mehrwerte zu schaffen und sich so einen Vorsprung im Wettbewerb zu erarbeiten.

Die Bedürfnisse im Markt unterliegen einem konstanten Wandel. Daher müssen auch Strategien, die auf einer Differenzierung beruhen, immer wieder auf ihre Relevanz überprüft werden. Marketing bedeutet folglich auch Marktforschung als Grundlage für die Definition von Differenzierungsmerkmalen.

Aus diesem Grund sind Firmen, die laufend forschen, wie sich die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe entwickeln, meistens profitabler!

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Die Qualität von Differenzierungsmerkmalen:

Preisvorteil als Differenzierung?

Sicher ist, dass ein dauerhaftes Unterbieten der direkten Konkurrent:innen durch tiefere Preise keine sinnvolle Differenzierung darstellt. Man lebt mit der ständigen Gefahr, dass die Konkurrenz die eigenen Preise wieder unterbietet. Geschieht das, so ist nicht nur der Vorteil wieder weg, sondern man gerät unter Druck, die eigenen Preise noch weiter zu senken. Nicht resultiert daraus eine nicht zu bremsende Abwärtsspirale. Ein gutes Beispiel dazu sind Discounter, welche sich laufend preislich unterbieten.

Merkmale von Differenzierungsmerkmalen

Damit ein Differenzierungsmerkmal effektiv wirkt, muss es vier Kriterien erfüllen. Es muss selten, wahr, beweisbar und relevant sein.

  1. Selten: Das Differenzierungsmerkmal sollte selten sein. Das ergibt sich schon aus der Natur der Sache – um sich zu unterscheiden, darf nicht jedes Angebot das gleiche Merkmal aufweisen. Eines der wichtigsten Differenzierungsmerkmale in der Rechtsbranche ist spezifisches Fachwissen. Jedoch muss Fachwissen auch nicht in jedem Falle ein Differenzierungsmerkmal darstellen. Gerade bei Anwaltskanzleien wird Erfahrung, Expertise und gute Ausbildung vorausgesetzt. Klient:innen würden keine entsprechenden Stundenhonorare bezahlen für inkompetente, unerfahrene oder schlecht ausgebildete Anwält:innen. 

    Besteht aber Fachwissen in einer ganz spezifischen Richtung (bspw. eine fundierte Branchenkenntnis), die eher schwer zu erlangen ist, kann diese Spezialisierung in einer solchen Konstellation effektiv ein Differenzierungsmerkmal darstellen. 
  2. Wahr: Ein Differenzierungsmerkmal sollte auch wirklich eines sein. Das bedeutet zwei Dinge: (1) man muss das mit der Differenzierung verbundene Versprechen einhalten können und (2) das aus der Leistung fliessende Resultat bedeutet tatsächlich einen Vorteil. Ein negatives Beispiel: Preist sich ein Unternehmen als transparente und vertrauenswürdige Partnerin an und überrascht die Klient:innen nach der initialen Zahlung in der Durchsetzung unerwartete Kosten an, fehlt es an der Wahrheit der versprochenen Leistung.
  3. Beweisbar: Die Differenzierung zur Konkurrenz muss in der Kommunikation belegbar sein. Ein Wettbewerbsvorteil bringt nichts, wenn er für die Zielgruppen nicht sichtbar oder glaubwürdig ist. Für jede Behauptung einer Differenzierung braucht es nachvollziehbare Belege in der Kommunikation. Dabei kann es sich bspw. um Zertifikate, Kundenfeedbacks oder Ergebnisse einer Marktforschung handeln. Ergibt sich aus einer solchen Umfrage bspw., dass viele Klient:innen die Pünktlichkeit und schnelle Abwicklung der Angelegenheiten als Hauptargument für eine Zusammenarbeit mit einer Kanzlei sieht, wäre das ein starker Beleg für die hohe Serviceorientierung des Unternehmens. 
  4. Relevant: Um zu verstehen, was die Zielgruppen wichtig ist, braucht es ein Verständnis deren Bedürfnisse. Nur so können relevante Differenzierungsmerkmale kommuniziert werden. Welche Zielgruppe soll und will ich ansprechen? Was ist diesen Personen wichtig? Diese Fragen muss sich jedes Unternehmen stellen und auch beantworten!

Wirkung von Differenzierungsmerkmalen

Unternehmen, die ihre Differenzierungsmerkmale kennen, können wesentlich profitablere Strategien fahren. Die Abgrenzung des Angebots erfolgt nicht über einen Preiskampf, sondern über den mit der Differenzierung geschaffenen Mehrwert für die betroffene Zielgruppe. Diese ist bereit für diesen Mehrwert zu bezahlen. Das Unternehmen kann sich aus einem allfälligen Preiskrieg der Konkurrenz raushalten.

Effektive Differenzierung stärkt das Branding. Die Zielgruppen können sich besser an ein Angebot und das damit verbundene Unternehmen erinnern. Es steigert folglich die Chance, dass aus potentiellen Leads auch effektive Kaufabschlüsse resultieren. Branding erhöht auch die Wahrscheinlichkeit einer Weiterempfehlung. Gerade bei Anwaltskanzleien sind solche Referrals durchaus ein wesentliches Marketinginstrument.

Hier mehr lesen zur Wirkung von Referrals im Marketing von Anwaltskanzleien.

Unternehmen mit starken Differenzierungsmerkmalen können nicht direkt mit der Konkurrenz verglichen werden. Ihr Angebot ist unterscheidet sich. Die Kombination aus dem im Angebot erkannten Mehrwert und dem Mangel an vergleichbaren Angeboten erzeugt eine grössere Loyalität zur Kanzlei. Werden die Versprechen eingehalten, fehlt es nicht nur an einem guten Grund zu wechseln, sondern auch an vergleichbaren Alternative, zu der man wechseln könnte.

Differenzierungsmerkmale sind folglich die Basis dafür, höhere Honorare verlangen zu können ohne gleichzeitig Klient:innen zu verlieren. Die Profitabilität («profit per partner») steigt.

Wo und wie findet man Differenzierungsmerkmale

Differenzierungsmerkmale lassen sich kombinieren und können so den Wettbewerbsvorteil verstärken.

Strategien für Anwaltskanzleien und andere Professional Services:

Nachstehend werden mögliche Strategien zur Findung von Differenzierungsmerkmalen für «Professional Services», insbesondere für Anwaltskanzleien und andere Beratungsfirmen der Rechtsbranche, näher erläutert:

  1. Spezialisierung: Dies ist vielleicht das am häufigsten verwendete Differenzierungsmerkmal. Klient:innen schätzen Anwaltskanzleien / Boutiquen, die sich auf die gefragte Branche oder Spezialprobleme spezialisiert haben. Sie gehen davon aus, dass Spezialist:innen ihre Probleme effektiver und schneller lösen können.
  2. Spezialisierung auf einen bestimmten Service: Diese Strategie ist besonders effektiv, wenn die Dienstleistung selten ist. Beispielsweise könnte ein innovatives Format für das Angebot von Mediations-Dienstleistungen sein.
  3. Anbieten einer einzigartigen Technologie oder Prozesses: Gemeint ist hier nur ein Prozess, der das Problem auf eine völlig neue Weise angeht und den Klient:innen dadurch einen neuen und wirklichen Nutzen bietet. Legal Tech Anwendungen haben hier gewissen Kanzleien schon Vorteile verschafft. Diese sind jedoch nicht immer nachhaltig, weil andere Unternehmen nachrüsten können. Sie sind auch nicht allen Anwaltskanzleien zugänglich, da nicht alle über ein sinnvolles Volumen verfügen. Technologie bevorzugt oft Konstellationen mit grossen Datensätzen. Trotzdem ist es Pflicht, hier am Ball zu bleiben und regelmässig Optimierungen zu prüfen.
  4. Spezialisierung auf die Betreuung von Klient:innen einer bestimmten Grösse: Grosse Unternehmen haben andere Bedürfnisse als KMUs oder Privatpersonen. Dienstleistende mit Erfahrung mit den einzelnen Kundengruppen können einen tollen Service anbieten.
  5. Alle Mitarbeitenden teilen eine bestimmte Eigenschaft/Qualifikation: Eine Kanzlei entscheidet sich bspw. nur Mitarbeitende mit einem Abschluss einer Top-Universität einzustellen. Oder: Das Unternehmen ist spezialisiert auf Fragestellungen, für die akademisch besonders geschulte Personen besonders gefragt sind (bspw. das Verfassen von Gutachten), weshalb vorwiegend Anwält:innen mit Doktortitel oder gar Professor:innen eingestellt werden.
  6. Spezialisieren auf Klient:innen, die ein spezifisches Merkmal teilen: Zum Beispiel Kanzleien, die sich auf die Opfervertretung oder die Vertretung von Versicherten gegen Versicherungen spezialisieren.
  7. Verfügen über eine oder mehrere Personen die auf ihrem Gebiet als Expert:innen einen hohen Bekanntheitsgrad haben: Ein Star im Team. Personen mit bekannten Publikationen, wichtigen Positionen, hoher Medienpräsenz oder sonst grossem Bekanntheitsgrad können für eine gewisse Klientel durchaus einen Mehrwert bieten.
  8. Anbieten eines einzigartigen Geschäftsmodells: Hier ist Innovation gefragt. Das häufigste Beispiel: Während die Konkurrenz nach Stunden abrechnet, könnten Festpreise eine wertvolle Alternative darstellen.
  9. Einen einzigartigen Satz von Kontakten oder Beziehungen anbieten: Wie und mit wem ist eine Kanzlei vernetzt? Ein spannendes Netzwerk an hilfreichen Expert:innen in anderen Bereichen kann für die Klientschaft durchaus interessant sein und den Ausschlag für einen Kaufentscheid geben.
  10. Geschäfte mit wirklich unverwechselbarem Serviceniveau: Ein guter Service setzen Klient:innen bei Anwaltskanzleien grundsätzlich voraus. Deshalb braucht es zur Differenzierung ein aussergewöhnliches Serviceerlebnis. Wer das hohe Serviceniveau belegen kann, ist im Vorteil!
  11. Unterscheiden durch Klient:innen, die man bereits hat: Differenzierung durch eine breite, existierende Basis an Klient:innen mit hoher Reputation aus einer bestimmten Zielgruppe. Das wirkt für viele Menschen vertrauenserweckend.
  12. Anders aussehen/handeln wie die Konkurrenz: Eine Corporate Behaviour, die sich unterscheidet, kann eine starke Differenzierung sein. Wichtig bleibt: Einfach nur anders sein reicht nicht. Es muss für die Zielgruppen mit einem Vorteil verbunden sein.

Wie wählt man richtig aus?

Bewusst oder unbewusst gehen wir oft davon aus, dass unsere Konkurrenz etwas weiss, was wir nicht wissen. Wir richten uns danach aus und wählen ungeeignete Differenzierungsmerkmale aus.

Für die richtige Auswahl gibt es zwei grundlegende Ansätze.

Proaktiver Ansatz

Du bestimmst selber und ohne dich durch Vorbestehendes beeinflussen zu lassen. Es braucht Mut eine solche Entscheidung zu treffen und umzusetzen. Sinnvoll ist dieser Ansatz vor allem dann, wenn dein Unternehmen noch keine inhärenten Differenzierungsmerkmale aufweist oder du eine Marktchance erkennst, die das Unternehmen nach der Änderung erfüllen könnte.

Passiver Ansatz

Hier wird die Differenzierung entdeckt statt neu geschaffen. Empfehlenswert ist dieser Ansatz vor allem für Unternehmen, die keinen dramatischen Strategie-Wechsel wünschen. Oft fehlt es etablierten Beratungsunternehmen an der Distanz zur eigenen Stärke. Man verliert den Überblick. Meist bedarf es lediglich einer Schärfung des Bewusstsseins – etwas Raum, um kurz auszutreten und sich neu zu fokussieren. Überzeugende Geschichten brauchen gute und klare Differenzierungsmerkmale.

Wettbewerbsvorteile aufrecht erhalten

Der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg ist ein dauerhaftes Bewusstsein darüber, was sich auf dem Rechtsmarkt bewegt.

Legal Marketing als umfassenden Prozess verstehen: Wo alles zusammenkommt und was Legal Marketing als Disziplin alles beinhaltet.

Zuerst: Marktanalysen sind essentiell, um Chancen zur Differenzierung objektiv zu bewerten. Richtige Differenzierung setzt voraus, dass du jederzeit verstehst, was die Zielgruppe / potenzielle Klient:innen brauchen und wie sie Kaufentscheidungen fällen. Wir brauchen Informationen und Daten, um diese Fragen zu beantworten. Was kannst du noch tun, um bessere strategische Entscheidungen zu treffen?

Als zweite Frage solltest du dein Unternehmen kritisch hinterfragen: Haben andere Unternehmen die gleichen Differenzierungsmerkmale? Sind die Entscheidungsmerkmale stark genug, um Referrals und Kundenbindung zu fördern? Wie könnten sich die Bedürfnisse der Zielgruppe in den nächsten Jahren verändern? Wie kannst du dem gerecht werden? Sind unsere Differenzierungsmerkmale qualitativ ausreichend (selten, wahr, beweisbar und relevant)?

Die dritte Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsvorteile: Kultur. Die Differenzierung / Strategie muss von den Mitarbeitenden effektiv gelebt werden. Sie benötigen klare Kommunikation und allenfalls auch eine Anpassung gewisser Prozesse. Hinterfrage daher von Zeit zu Zeit deine Marketingmaterialien und in der Kommunikation enthaltenen Key Messages: Sind diese noch relevant und belegen sie deine behauptete Differenzierung?

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Fazit

Differenzierungsmerkmale zeichnen ein Unternehmen aus. Ein starkes Differenzierungsmerkmal verschafft deinem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil.

Um im Wettbewerb erfolgreich zu sein, müssen professionelle Dienstleistungsunternehmen, bspw. Anwaltskanzleien, ihren Wettbewerbsvorteil zunächst bestimmen oder erkennen. Dabei ist es auch möglich mehrere Merkmale miteinander zu kombinieren. Um diese Strategie effektiv gestalten zu können, sollten die Differenzierungsmerkmale selten, wahr, beweisbar und relevant sein. Wichtig dabei ist, fortlaufend Marktforschung zu betreiben, um Veränderungen in der Rechtsbranche zu bemerken und erforderliche Anpassungen in der Strategie zu erkennen.

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