Dürfen Anwaltskanzleien Google-Werbung machen?

#DigitalMarketing#SEO#Strategy

14. Sep. 2022 – Tobias Steinemann

Wie stark dürfen Anwält:innen die Google-Suchresultate durch bezahlte Werbung beeinflussen? Auch Anwält:innen bewerben Ihre Dienstleistungen gerne aktiv und nutzen dafür die verfügbaren digitalen Kanäle. Bekanntlich setzt das Berufsrecht der Anwaltschaft diesem Bedürfnis gewisse Schranken. Wie verhält es sich denn nun aber genau mit der Anwaltswerbung über das Internet?

Im Jahr 2013 äusserte sich das Bundesgericht in einem Grundsatzurteil zur Zulässigkeit und den Grenzen der Werbung durch Anwälte (BGE 139 II 173). Seither hat sich viel getan. In der Welt des Internets ist die seither vergangene Zeit eine halbe Ewigkeit. Es ist also nicht verwunderlich, dass die mittlerweile stark entwickelten Werbemöglichkeiten im Internet eine Prüfung und Konkretisierung der Grundsätze erforderten: 2021 durfte sich das Kantonsgericht St. Gallen mit einem entsprechenden Fall befassen.

In diesem Artikel gehen wir der Geschichte nach und würdigen das Urteil hinsichtlich seiner Bedeutung für die Anwaltswerbung im Internet.

Kontext: Die Bedeutung der Werbung in den Google-Suchresultaten

Eine Google-Suche nach den Begriffen «Anwälte» oder «Kanzlei» zeigt schnell: Es mangelt nicht an sichtbaren Anwält:innen oder Kanzleien. Gerade in grösseren Städten oder Ortschaften zeigen die Suchresultate die hohe Dichte an Anwält:innen und Kanzleien. Die User werden sich aber nicht die Zeit nehmen, mehrere Seiten an Suchergebnissen zu durchforsten. In der Regel wählen sie eines der ersten Ergebnisse aus, klicken und landen auf der Webseite. Daher ist es verständlich, dass auch die Anwaltschaft hier die verfügbaren Mittel zur Sichtbarkeit ausreizen möchte.

Wenn wir genauer hinsehen, erkennen wir, dass bereits zahlreiche Anwält:innen bei den Suchmaschinen für bessere Platzierungen bezahlen. Der Tag «Ad» neben dem Eintrag kennzeichnet die bezahlten Anzeigen.

Google-Suche nach "Anwalt Basel" zeigt in den Resultaten zahleiche Einträge von bezahltem Keyword Advertising im Legal Marketing, das heisst in der Vermarktung von Kanzleien und juristischen Dienstleistungen

Dass «Google Ads» und «Keyword Advertising» zu gefragten Werbemassnahmen geworden sind, hat vor allem zwei Gründe:

Einerseits hilft der Einsatz von finanziellen Mitteln in diesen Bereichen vor der Konkurrenz aufgeführt zu werden. Durch den Kauf von Keywords in bestimmten Fachbereichen gelingt es bspw. Klicks von potentiellen Klient:innen zu gewinnen, die nach einer Beratung in diesem Bereich suchen und dabei diese Keywords verwenden. Das ist ein häufiger Vorgang.

Andererseits ist die Platzierung bei Google auch für Unternehmen wichtig, die grundsätzlich nicht «mit der Webseite akquirieren». Auch wenn die Akquise gefühlt auf anderem Weg passiert, sind auch diese Kanzleien darauf angewiesen, dass sie im Internet gefunden werden.

Es ist bekannt: Bevor eine Klientin sich bei dir meldet, hat sie zahlreiche virtuelle Touchpoints mit deinem Onlineauftritt.

Auch wenn du empfohlen wirst: Eine potentielle Klientin wird dich immer zuerst mehrfach «googeln», sich dein LinkedIn-Profil anschauen oder Online-Publikationen von dir lesen. Diese Inhalte muss sie finden!

Ist diese Form der Anwaltswerbung überhaupt erlaubt?

Dass auch Anwält:innen und Kanzleien diese Form der Werbung nutzen dürfen, ist unbestritten. Trotzdem gelten natürlich die allgemeinen Grenzen des Berufsrechts gemäss Art. 12 lit. d des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälten (BGFA).

Nach Art. 12 lit. d BGFA ist es den Anwält:innen erlaubt Werbung zu machen. Diese muss aber soweit objektiv bleiben und dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit angepasst sein.

Die Werbung für Anwält:innen ist per Wirtschaftsfreiheit gemäss Art. 27 BV geschützt und Einschränkungen bedürfen einer Rechtfertigung. An der Regulierung der Werbung besteht jedoch das öffentliche Interesse an einer ordnungsgemässen und qualitativ hochstehenden Ausübung der Anwaltstätigkeit. Die konstante Rechtsprechung des Bundesgerichts besagt daher, dass die Anwaltswerbung zurückhaltend zu erfolgen hat. Insbesondere sind aufdringliche und irreführende Werbungen verboten.

Werbung ist also in den klar formulierten Schranken erlaubt. Fraglich ist aber, wie weit man bei der Nutzung der digitalen Werbemittel gehen darf und wann in diesem Bereich die vom Standesrecht vorgegebenen Grenzen überschritten werden.

Das Kantonsgericht St. Gallen hatte am 7. Dezember 2021 die Gelegenheit in diesem Bereich einen Entscheid zu fällen.

Sachverhalt

Im Februar 2020 erstattete eine Anwältin Anzeige gegen einen Berufskollegen. Der Vorwurf: Der Anwalt betreibe unzulässige Werbung, indem er bei Google die Suchergebnisse «mittels aggressiver Werbeschaltung» beeinflusse. Dem durchschnittlichen User werde dadurch gezielt ein falscher Eindruck vermittelt. da diese darauf vertrauen, dass Google jeweils das beste Ergebnis zuoberst anzeige.

Die Anzeigestellerin analysierte die Entwicklung in den Google Suchresultaten über einen längeren Zeitraum. Dabei stellte sie fest, dass sowohl bei einer Suche nach allgemeinen Keywords wie «Anwalt», als auch beim «googeln» nach einem bestimmten St. Galler Anwalt jeweils zuoberst eine Werbeanzeige für die Kanzlei des angezeigten Anwaltes erschien.

Die Anzeigestellerin befürchtete daher, der Anwalt habe für seine Werbung bei Google die Namen konkurrenzierender Kanzleien oder Anwält:innen als Keywords in seine Werbeanzeigen integriert.

Aus den Erwägungen des Kantonsgerichts

Es überrascht nicht, dass die fraglichen Handlungen des Anwalts als Werbung im Sinne des Art. 12 lit. d BGFA qualifiziert wurden (E. 4a).

Die internettypischen Werbemittel werden eingesetzt, um möglichst viele User auf das primäre Werbemittel (die Webseite) aufmerksam zu machen. Auf der Webseite des angezeigten Anwalts fand das Kantonsgericht keine reisserische Aufmachung resp. täuschende oder irreführende Inhalte (E 4b).

Es ist heute allgemein akzeptiert, dass die Inhalte einer Kanzlei-Webseite deutlich über das vom Bundesgericht genannte Informationsbedürfnis hinausgehen.

Streitpunkt war in diesem Fall also insbesondere die Nutzung der verfügbaren Möglichkeiten zur Optimierung der Ergebnisse bei den Suchmaschinen durch den Anwalt.

Zwei Möglichkeiten zur Suchmaschinenoptimierung (SEO)

Um die Zulässigkeit der Suchmaschinenoptimierung zu prüfen, setzte sich das Kantonsgericht mit zwei Optionen von SEO auseinander:

  1. SEO durch Metatags
  2. Keyword Advertising

SEO durch Metatags

Metatags sind Begriffe, die in den HTLM-Code der Webseite miteinbezogen sind. Für die Besucher:innen der Webseite sind diese nicht ersichtlich. Sie gehören aber zum Inhalt und werden dadurch auch von den Suchmaschinen ausgelesen.

So beeinflussen Metatags die inhaltliche Analyse, die Suchmaschinen an einer Webseite vornehmen. Durch den geschickten Einsatz von bestimmten Begriffen als Metatags können so gezielt User mit bestimmten Interessen auf die eigene Webseite gelenkt werden.

Anwaltskanzleien nutzen in der Regel Begriffe aus den Rechtsgebieten, in denen sie tätig sind. Dadurch steigern sie die inhaltliche Relevanz ihrer Webseite in diesem Fachgebiet und damit auch die Chance, bei potentiellen Klient:innen in den Suchresultaten weiter vorne zu landen.

Wo genau die Ergebnisse bei einer Suche in der Suchmaschine erscheinen, bestimmt ein Google-Algorithmus. Dieser bewertet die Webseiten nach einer Vielzahl von inhaltlichen, technischen und strukturellen Kriterien.

Hier gibt's 9 Tipps für SEO-freundliche Inhalte von Webseiten.

Keyword-Advertising

Die Suchresultate lassen sich bei Google auch durch den Kauf von Keywords optimieren. Keywords sind Schlüsselwörter und -phrasen im Inhalt einer Webseite. Es sind Begriffe, von denen wir ausgehen, dass unsere Zielgruppen sie regelmässig in das Google-Suchfeld eingeben.

Alles Wissenswerte zum Thema SEO durch Keywords

Konkret funktioniert das so: Um Google anzugeben, in welchem Kontext die gekauften Anzeigen erscheinen sollen, wird angegeben, für welche Stichworte (Keywords) diese Anzeige erscheinen soll. Durch bezahltes Keyword-Advertising lässt sich also beeinflussen, für welche Suchanfragen eine Webseite bei Google erscheint. So generieren bezahlte Anzeigen mehr Besucher:innen auf der Kanzlei-Webseite und platzieren die Webseite vor der Konkurrenz mit ähnlichen Inhalten (aber ohne bezahlte Google-Werbung).

Grundsätzlich zulässig für Anwält:innen

Nach Auffassung des Kantonsgerichts ist die Verwendung von Metatags zur Optimierung der Suchmaschinenergebnisse ein zulässiges Werbemittel nach Art. 12 lit. d BGFA (E. 4bb). Gleiches gilt auch für Keyword Advertising, das grundsätzlich ebenfalls als zulässig erachtet wird (E. 4cc).

Wer also nach einer spezifischen Anwaltskanzlei oder allgemein nach einer Beratung sucht, muss zwangsläufig damit rechnen, dass auch andere Kanzleien bei dieser Suche angezeigt werden.

Im konkreten Fall war es so, dass bei Suchanfragen die Werbeanzeige des Anwaltes B. ausnahmslos immer zuoberst erschien. Nach Auffassung des Gerichts könnte dies aber auch dadurch begründet sein, dass der fragliche Anwalt über einen längeren Zeitraum als einziger Anwalt in der Region die Möglichkeit des Keyword Advertising nutzte und dadurch von einer Vorreiterstellung profitieren konnte.  

Jede Kanzlei hat die Möglichkeit eine Google-Anzeige zu Marketingzwecken zu erstellen. Die Verwendung von Keyword Advertising wird deshalb vom Kantonsgericht nicht als reisserische oder aufdringliche Werbung qualifiziert.

Aufsichtsrechtliche Überlegungen

Bereits die Anwaltskammer des Kantons St. Gallen hatte festgestellt, dass es ein unternehmerischer Entscheid einer Kanzlei sei, welche Werbemittel für Internetwerbung eingesetzt werde. Dass sich Berufskolleg:innen an den Marketingstrategien der Konkurrenz stören, rechtfertige keine aufsichtsrechtlichen Limitierungen (E. 4dd).

Zudem geht das Gericht davon aus, dass diese Anzeigen von den durchschnittlichen Usern einer Suchmaschine im Internet nicht als aufdringlich wahrgenommen werde.

Der von der Anzeigestellerin geäusserte Verdacht, der Anwalt habe die Namen der Konkurrenz als Keywords gekauft, konnte nicht belegt werden. Das Gericht geht davon aus, dass die Platzierung der Anzeige des Anwalts selbst bei Suchanfragen mit Namen anderer Konkurrenz mit der Indexierung durch Google zu tun habe (E. 4ee).

Die Frage, ob die Verwendung von Kanzleinamen der Konkurrenz zulässig ist oder nicht, hat das Kantonsgericht in diesem Fall explizit offen gelassen.

Immerhin hat das Gericht ergänzt, dass im Hinblick auf die Literatur zum Wettbewerbsrecht auch in diesen Fällen eine Verwechslungsgefahr nur in besonderen Umständen entstehen könne (E. 4ee).

Würdigung: Tür auf für die Internet-Anwaltswerbung

Es ist natürlich nervig, wenn bei einer Google-Suche nach dem eigenen Namen zuerst die Werbeanzeige einer anderer Kanzlei erscheint. Schliesslich wird der Kampf um neue Klient:innen heute zu einem grossen Teil im Internet entschieden.

Es ist natürlich auch aus unserer Sicht richtig, dass sowohl die Verwendung von Metatags als auch das Keyword Advertising grundsätzlich zulässige Werbemittel für Kanzleien darstellen.

Dass das Kantonsgericht andeutet, dass selbst bei einer Verwendung fremder Namen beim Keyword Advertising keine Verwechslungsgefahr entsteht, ist allerdings durchaus bemerkenswert.

Der Entscheid hat einige Fragen geklärt. Bisher haben viele Schweizer Anwält:innen und Kanzleien eher zurückhaltend mit solchen Google-Werbemassnahmen operiert.

Es dürfte zu einer gewissen Zunahme von Werbeanzeigen im Schweizer Anwaltsmarkt kommen. Das freut vor allem einen: Google!

Für alle Werbenden bedeutet die höhere Konkurrenz im Keyword Advertising nämlich steigende Preise. Die Google Ads werden vermutlich künftig teurer werden.

Etwas weiter gedacht: Die Anwaltswerbung im Internet wird sich künftig wohl kaum auf Google beschränken. Die Werbemöglichkeiten auf Social Media oder anderen Online-Plattformen sind weitläufig. Im Sinne der aktuellen Rechtsprechung müssten diese Mittel der Werbung in den gleichen Schranken ebenfalls zulässig sein.

Die gute Nachricht: Die digitale Sichtbarkeit in den eigenen Händen

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Für Marketingteams bedeutet das Urteil: Die bezahlte Werbung ist ein Marketingmittel, dass künftig zwingend geprüft und eingebunden werden sollte. Ein entsprechendes Budget zu berücksichtigen lohnt sich.

Auch hier gilt: Einfach nur zahlen, bringt wenig.

Es braucht neben den bezahlten Methoden immer auch eine weitergehende strukturelle Optimierung.

  1. Die Webseite muss technisch so optimiert und auf modernstem Stand sein. Google beurteilt bspw. die Ladegeschwindigkeit jeder Page!
  2. Die Webseite braucht strukturell einen klaren Aufbau.
  3. Die Inhalte der Webseite sind ebenfalls gut strukturiert, nachvollziehbar verfasst und auf die Kernthemen optimiert.

Auch bei bezahlter Werbung lohnen sich diese Arbeiten. Google macht nämlich auch beim Keyword Advertising den Check: Decken sich die gekauften Keywords mit dem Inhalt der beworbenen Webseite? Fremde Keywords zu kaufen, ist daher nur eine mässig sinnvolle Strategie...

Hinweis: Prof. Dr. iur. Walter Fellmann hat sich in der Anwaltsrevue (2022, S. 89 ff.) ebenfalls in einer Kommentierung mit diesem Urteil befasst.

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