Werbung für Anwält:innen und Kanzleien in der Schweiz

#DigitalMarketing#Strategy

22. Okt. 2024 – Tobias Steinemann, Leonard Bahc

Werbung ist ein mächtiges und zentrales Werkzeug in der Vermarktung von Unternehmen. Lange galten für Anwält:innen und Kanzleien in der Schweiz besondere Spielregeln. Zwischen strengen Standesregeln und der Notwendigkeit, Klient:innen auf sich aufmerksam zu machen, bewegte sich das Anwaltsmarketing lange in einem sensiblen rechtlichen Rahmen. Viele waren verunsichert und fragten sich: Dürfen Schweizer Anwaltskanzleien überhaupt Werbung machen? Und wenn ja, welche Formen von Werbung sind zulässig? In diesem Beitrag widmen wir uns diesem Thema.

Rechtlicher Rahmen

Dürfen Anwälte und Anwältinnen nun Werbung machen? Die einfache Antworte darauf lautet: Ja! In der Schweiz ist es der Anwaltschaft grundsätzlich erlaubt Werbung zu machen. Die spezifische Regelung dazu findet sich in Art. 12 lit. d des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA). 

Sie können Werbung machen, solange diese objektiv bleibt und solange sie dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entspricht.

Das BGFA versteht unter dem Begriff «Werbung» folgendes: Mit Werbung ist die gesamte Kommunikation gemeint, die dazu dient, die von Anwältinnen und Anwälten angebotenen Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Darunter kann sogar schon ein Fassadenschriftzug mit dem Kanzleinamen fallen, wenn er  publikumswirksam auf die anwaltlichen Dienstleistungen aufmerksam macht. 

Die Werbung muss darüber hinaus noch das Erfordernis der «Objektivität» und des «öffentlichen Informationsbedürfnisses» erfüllen. Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung festgelegt, dass anwaltliche Werbung nicht nur den Anforderungen des Bundesgesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) entsprechen muss, sondern auch generell sachlich und zurückhaltend zu erfolgen hat. Reisserische, aufdringliche oder marktschreierische Werbemethoden sind dabei ausdrücklich unzulässig.

Vgl. auch unser Beitrag zum Entscheid des Kantonsgericht St. Gallen, das einen Streit zwischen Anwält:innen zur Kanzleiwerbung entscheiden musste.

Erlaubt ist Werbung, die informativen Charakter hat und den Informationsbedarf der Öffentlichkeit deckt. Dazu zählen Angaben über die Existenz der Kanzlei, deren Tätigkeitsfelder, Kontaktdaten sowie Informationen darüber, ob die Person beratend oder prozessführend tätig ist. Entscheidend für die Zulässigkeit ist, ob die Werbung für das jeweilige Publikum einen Nutzen bietet, ohne dabei auf übertriebene Werbemethoden zurückzugreifen. Sachliche und nüchterne Darstellungen werden als legitim und zulässig angesehen.

Disclaimer: Natürlich ist dieser Blogbeitrag keine rechtliche Beratung. Bitte die konkreten Werbemassnahmen also auch noch individuell prüfen. 

Warum ist das überhaupt ein Thema?

Die Berufsregeln für rechtskonforme Anwaltswerbung haben folgende Ziele:

Schutz des Ansehens des Berufsstands

Anwält:innen geniessen eine besondere Vertrauensstellung, da sie rechtliche Interessen ihrer Klient:innen vertreten. Übertriebene oder aufdringliche Werbung könnte das Ansehen des Berufs schädigen und Zweifel an der Unabhängigkeit oder Seriosität von Anwält:innen wecken. Zum Beispiel wäre es problematisch, wenn auf Plakaten mit «Erfolgsgarantien im Streitfall» geworben wird. Dies könnte den Eindruck erwecken, dass die Qualität der Rechtsvertretung weniger auf Fachkompetenz als auf marktschreierischen Versprechungen basiert.

Verhinderung unlauteren Wettbewerbs

Die Berufsregeln sorgen dafür, dass Anwält:innen fair miteinander konkurrieren und keine unzulässigen Wettbewerbsvorteile erlangen. Werbung darf keine unrealistischen Versprechen beinhalten, die Klient:innen in die Irre führen könnten. 

Schutz der Klient:innen

Viele Menschen suchen anwaltliche Beratung in schwierigen Lebenslagen. In solchen Situationen sind Klient:innen oft besonders verletzlich und könnten durch reisserische oder aggressive Werbung zu Entscheidungen verleitet werden, die nicht in ihrem besten Interesse liegen.

Sachliche Information

Anwaltswerbung soll der Öffentlichkeit helfen, die Dienstleistungen von Anwält:innen besser zu verstehen, indem sie klare, sachliche und nützliche Informationen bereitstellt. Angaben über die Spezialisierung des Anwalts, die Art der angebotenen Dienstleistungen oder die Kontaktinformationen sind beispielsweise zulässig und erwünscht. 

Das Konkurrenzproblem der Kanzleien

Kanzleien waren lange sehr zurückhaltend mit Werbemassnahmen. Bis heute gibt es Stimmen, die sogar in einer aktiven Bewirtschaftung eines LinkedIn-Profils ein Problem erkennen. Das dürfte jedoch eine aussterbende Meinung sein. Auch hier gilt:

C'est le ton qui fait la musique.

Während die Kanzleien mit Anwaltswerbung gespart haben, war die Konkurrenz weniger scheu. Beratende Unternehmen, die nicht an die Standesregeln gebunden sind, konnten vogelfrei ihre Dienstleistungen bewerben. Die Big4 und die Alternative Legal Service Provider konnten sich so auf Kosten der Kanzleien einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Nachteil der Anwaltschaft nicht zuzumuten ist. Um in diesem Markt bestehen zu können, müssen die Kanzleien die gleichen Möglichkeiten haben. 

Online-Werbung: Was dürfen Anwält:innen?

Die nachfolgenden Werbemassnahmen sind heutzutage unumstritten zulässig. Natürlich müssen sich die Inhalte und die Art der Umsetzung an den allgemeinen Grundsätzen messen lassen.

Professionelle Kanzleiwebseiten

Eine Webseite ist heute unverzichtbar. Niemand wird den Anwält:innen das Recht absprechen wollen, eine eigene Kanzleiwebseite zu unterhalten.

Anwält:innen müssen sich positionieren, ihr Team vorstellen und Kontaktmöglichkeiten darstellen können. Darüber hinaus dürfen sie weitere Inhalte publizieren. Content Marketing Aktivitäten (bspw. Blogposts) sind ebenso zulässig und erlauben es der Anwaltskanzlei im Wettbewerb um die digitale Sichtbarkeit bei den Zielgruppen zu bestehen.

Google Werbung und SEO

Ja, Kanzleien dürfen auch Google-Werbung schalten. Das hat das Kantonsgericht St. Gallen entschieden und dabei explizit das Keyword-Advertising für zulässig erachtet. Anwält:innen dürfen also Google Geld bezahlen, sodass die Suchmaschine die Webseite der Kanzlei für bestimmte Suchanfragen weit vorne führt. Auch allgemeine Massnahmen zur Suchmaschinenoptimierung (SEO) sind zulässig, um die Position im Google-Ranking zu beeinflussen.

Social Media Präsenz

Social Media Plattformen wie LinkedIn dürfen genutzt werden. Auch wenn hier oft der Eindruck entsteht, dass gewisse Profile durchaus reisserisch unterwegs sind, kann das einer allgemeinen Nutzung nicht entgegenstehen. Vielleicht gibt es dereinst einen Fall, in dem ein Gericht über die inhaltliche Aktivität einer Kanzlei zu entscheiden hat. 

Wie sich die Anwaltskanzleien auf LinkedIn verhalten, erfährst du in unserem LinkedIn-Report 2024.

E-Mail Marketing

Kanzleien dürfen zudem auch E-Mail-Marketing betreiben und Newsletter versenden. Natürlich gilt es die datenschutzrechtlichen Grundsätze zu beachten. Die Kontakte müssen folglich ihre gültige Zustimmung für den Erhalt eines Newsletters abgegeben haben.

Fazit: Werbung, aber richtig

Schweizer Anwaltskanzleien dürfen Werbung machen. Diese muss stets sachlich, zurückhaltend und wahrheitsgemäss sein. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie Anwält:innen potenzielle Klient:innen auf sich aufmerksam machen können – auch im digitalen Marketing. Mit einer durchdachten Marketingstrategie können Anwält:innen risikofrei und effektiv auf sich aufmerksam machen.

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